Freitag, 18. Mai 2012

Besonders die CDU hat sich zu lange von Macht-Merkel vorführen lassen

http://wirtschaftspolitik-von-amateuren.blogspot.com/2012/02/auch-merkel-droht-klage-neue-vorwurfe.html 
Kommentar zur Entlassung des Umweltministers

Merkel könnte in die Machtfalle tappen

Von Jörg Brandscheid, BR, ARD-Hauptstadtstudio
Norbert Röttgen hat einen Wahlkampf versemmelt und die Quittung für sein ewiges Taktieren bekommen. Aber was hat das mit seinem Job als Bundesumweltminister, mit der Energiewende zu tun? Nichts. Nein, Frau Merkel, ein Befreiungsschlag war dieser Rauswurf sicher nicht. Eher ein Ausdruck von Panik und Hilflosigkeit mit dem Ergebnis, dass diese Koalition noch orientierungsloser dasteht, jetzt also auch bei der Energiewende.
Es ist bezeichnend, dass Röttgens Rauswurf sogar manchem Christdemokraten in Nordhrein-Westfalen zu weit geht, obwohl Röttgen im dortigen Landesverband den größten Schaden angerichtet hat - karrieregeleitet und ohne Rücksicht auf Verluste.
Doch am lautesten gepoltert hat Horst Seehofer, Chef der Schwesterpartei CSU, wohl auch, weil er befürchtet, mit seiner bayerischen schwarz-gelben Koalition bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr in eine Art Berliner Abwärtssog zu geraten. Es ist schon etwas wohlfeil, wenn Seehofer jetzt fordert, bei der Energiewende mehr Gas zu geben - denn das ist durchaus auch Aufgabe der Länder.

Altmaier könnte Merkel noch fehlen

Noch kein Jahr ist vergangenen, seitdem sich Schwarz-Gelb von längeren AKW-Laufzeiten verabschiedet hat und Röttgen die Energiewende moderieren ließ. Das klingt banaler als es ist. Denn ausgleichende Fähigkeiten sind gefragt. Röttgen hat sie durchaus bewiesen, etwa beim konfliktbeladenen Thema Endlagersuche. Die entscheidende Verhandlung über ein entsprechendes Gesetz wird nun sein Nachfolger Peter Altmaier mit den Ländern führen müssen, auch ein Mann des Ausgleichs und insofern eine gute Besetzung.
Doch Merkel könnte ihn als parlamentarischen Geschäftsführer noch schmerzlich vermissen, wenn es mal wieder gilt, den Unionsladen im Bundestag zusammenzuhalten und Mehrheiten zu organisieren. Die nächste Euro-Abstimmung kommt bestimmt.
Als Umweltminister wird Altmaier sich wie Röttgen daran gewöhnen müssen, von allen Seiten gelegentlich Prügel zu beziehen, mal von der Industrie, mal von der Solar-Lobby, mal von Verbraucher-  oder Naturschützern und gelegentlich wohl auch von der CSU.

Brandmauer könnte zum Brandbeschleuniger werden

Der nationale Kraftakt Energiewende wird jedoch nur gelingen, wenn alle Beteiligten ihn auch als solchen begreifen, einen Kraftakt, der länger als eine Legislaturperiode dauert. Doch Merkel und Seehofer suchen den schnellen politischen Erfolg, getrieben von diversen Lobbyisten, die sich aufziehende Wahlkampf-Nervosität zunutze machen.
Merkel verzichtet darauf, den Rauswurf näher zu begründen. Sie trennt sich von einem Wahlverlierer im Kabinett, will eine Brandmauer ziehen. Es geht ihr auch nicht um die Energiewende, sondern um Machterhalt. Das ist zwar legitim, doch wie es beim Wähler ankommt, wenn kein anderes Motiv als Macht mehr erkennbar ist, das hat Röttgen in Nordrhein-Westfalen gerade erleben müssen. Merkel läuft Gefahr, dass aus ihrer Brandmauer ein Brandbeschleuniger wird.

 Von der Brandmauer zum Brandbeschleuniger [J. Brandscheid, ARD Berlin]
Stand: 17.05.2012 18:51 Uhr

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