"Organisiertes Verbrechen - Mord als erlaubtes Mittel zum Zweck"
Mord als erlaubtes Mittel zum Zweck
Von René Zeyer aus “Journal21”
Ein Justizminister ist normalerweise der oberste Verteidiger
des Rechtsstaats. Ein Wächter an der Grenze zwischen Zivilisation und
Barbarei. Damit legitimiert er das Gewaltmonopol des Staates. Nicht so
in den USA.
Im Wertekanon des Westens stehen Menschenrechte ganz oben. Aus der
in der amerikanischen und französischen Revolution zum ersten Mal
formulierten Erkenntnis, dass alle Menschen ohne weitere Begründung
unveräusserliche Rechte haben, folgern wir den Anspruch, Staaten und
Regierungen zu kritisieren, die dem nicht beipflichten.
Das fundamentalste Recht ist das auf körperliche Unversehrtheit und
Freiheit. Begrenzt durch Sanktionen bei Regelverstössen. Es gibt
unzivilisierte Staaten, zu denen die USA gehören, die sich das Recht
nehmen, die Todesstrafe zu verhängen. Immerhin für einen allgemein
bekannten und begrenzten Katalog von Verbrechen. Die vorher begangen und
in einer mehr oder weniger gewissen Regeln folgenden
Gerichtsverhandlung nachgewiesen wurden. Einen Schritt weiter in
Richtung Barbarei geht der US-Justizminister.
Der Strafverfolger Eric Holder
Eric Holder ist der Justizminister der USA. Genauer ist er der
United States Attorney General, der Generalbundesanwalt, der oberste
Strafverfolger. Und Eric Holder ist ein Wiederholungstäter. Schon 2002
verteidigte er, damals Vizegeneralbundesanwalt unter Bush, den Begriff
«ungesetzlicher Kombattant». Nach den Anschlägen vom 11. September 2001
wurde damit ein rechtsfreier Raum geöffnet, der es der Bush-Regierung
erlaubte, des Terrorismus verdächtige Personen im US-Gefangenenlager
Guantánamo auf Kuba einzukerkern, ohne dass diese Zugang zu
fundamentalen rechtsstaatlichen Mitteln hätten.
Sie wurden und werden dort jahrelang unter unmenschlichen
Bedingungen gehalten, ohne Verteidigung, ohne Anklage, ohne Prozess. Sie
unterliegen nicht einmal der Genfer Konvention über die Behandlung von
Kriegsgefangenen. Sie haben also wegen eines vermuteten Verstosses gegen
das Recht selbst alle Rechte verloren. Aber immerhin werden sie zwar
gelegentlich zum Selbstmord getrieben, jedoch nicht umgebracht.
Putativnotwehr
Juristen sind bekanntlich problemlos in der Lage, auf einer Glatze
eine Locke zu drehen. Deshalb erfanden sie den Begriff Putativnotwehr.
Jeder Mensch hat das Recht, sich gegen einen Angriff auf seine
körperliche Unversehrtheit auch mit Gewalt zu wehren. Jemand richtet
eine Pistole auf mich, ich erschiesse ihn. Notwehr. Jemand kauft sich
eine Pistole und kündigt an, sie auf mich richten zu wollen. Ich
erschiesse ihn. Putativnotwehr. Eine heikle Sache, wenn es sich auf
individueller Ebene abspielt.
Es ist ungeheuerlich, wenn ein Staat dieses Unrecht für sich in
Anspruch nimmt. Dann wird eine im Einzelfall zu beurteilende mögliche
Straftat zur Doktrin erhoben, entsteht organisiertes Verbrechen, das
nicht mehr beurteilt oder sanktioniert werden kann, weil es vom Besitzer
des Gewaltmonopols ausgeübt wird. Damit verliert der Staat seine
Legitimation, die er mit solchen Methoden zu schützen vorgibt.
Gezielte Tötung
In einem Vortrag vor Jura-Studenten in Chicago hat
US-Generalbundesanwalt Eric Holder die gezielte Tötung von
«mutmasslichen Terroristen» durch die USA verteidigt, wenn der
Betroffene eine «unmittelbare Gefahr eines Anschlags auf die USA»
darstelle. Zudem unabhängig davon, ob er US-Bürger ist oder nicht. In
jedem Rechtsstaat würde ein solcher Justizminister mit Schimpf und
Schande aus dem Amt gejagt. Und vor den internationalen Gerichtshof in
Den Haag gestellt. Denn er stellt die Todesstrafe vor das Verbrechen.
Letzteres kann Holder nicht passieren, weil die USA diese
Jurisdiktion nicht anerkennen. Ersteres passiert ihm auch nicht, obwohl
er damit den letzten Rest von rechtsstaatlichem Bewusstsein gekippt hat,
das am besten im Wildwest-Verständnis eines guten Prozesses à la USA
auf den Punkt gebracht wird: Give them a fair trial – then hang them.
Was bleibt, ist: Hängt sie auf. Sogar ohne kurzen Prozess.
Die Antwort ist Nein
Bei besonders widerlichen Tötungsdelikten wie gerade auch wieder in
der Schweiz, bei Wiederholungstätern, von Massenmördern und Terroristen
ganz zu schweigen, kommt es verständlicherweise immer wieder zu den
gleichen Diskussionen. Sollte nicht auch hierzulande die Todesstrafe
wieder eingeführt werden? Ist der Schutz der Allgemeinheit nicht höher
zu gewichten als das Recht eines Einzelnen, von einer Terrororganisation
ganz zu schweigen, erst nach der begangenen Tat verurteilt zu werden?
Ist es nicht besser, den Angehörigen einer terroristischen Bande
umzubringen, bevor er viele Unschuldige tötet? Ist nicht Folter erlaubt,
wenn nur so Erkenntnisse gewonnen werden können, die grosses Unheil
verhindern? Solche Fragen strapazieren unser Rechtsverständnis bis zur
Belastungsgrenze. Dennoch ist die Antwort ein klares Nein.
Die feine rote Linie
Die Frage aller Fragen ist immer wieder: Mit welchen unmenschlichen
Mitteln dürfen wir unsere Menschlichkeit verteidigen? Wie barbarisch
dürfen wir uns gegen Barbaren wehren? Heiligt der Zweck die Mittel? Und
ab wann zerstören die Mittel den Zweck? Für den Staatsbürger werden
solche Fragen durch die Staatsmacht beantwortet, der er sich zu
unterwerfen hat, ob es ihm passt oder nicht. Und von der er zur
Rechenschaft gezogen wird. Wer aber kann den mächtigsten Staat der Welt
zur Rechenschaft ziehen, der einen solchen Justizminister hat?
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