Unter anderen auch Moskau, nicht nur weil die Russische Föderation und die
Ukraine auch Mitglieder der OSZE sind, sondern aus solidarischem Pflichtgefühl
als ständiges Mitglied und Veto-Verantwortungsland im UN Sicherheitsrat.
Auch, weil sonst für Moskau die Aberkennung dieser ohnehin unrechtmäßien
Privilegien droht!
Ponomarjow hätte besser weiter Seife verkauft, davon versteht er wahrscheinlich was.
Ukraine auch Mitglieder der OSZE sind, sondern aus solidarischem Pflichtgefühl
als ständiges Mitglied und Veto-Verantwortungsland im UN Sicherheitsrat.
Auch, weil sonst für Moskau die Aberkennung dieser ohnehin unrechtmäßien
Privilegien droht!
Ponomarjow hätte besser weiter Seife verkauft, davon versteht er wahrscheinlich was.
In Slawjansk liegen die Nerven der Milizen blank
Im ostukrainischen Slawjansk spitzt sich die Lage
zu. Bürgermeister Ponomarjow rastet bei den Pressekonferenzen aus, man
rechnet mit der Erstürmung. Das OSZE-Team bezeichnet er als sein
"Faustpfand".
Von
Julia S. , Slawjansk
Wenn der Leibwächter
von Wjatscheslaw Ponomarjow den Saal des besetzten Rathauses in der
Stadt Slawjansk betritt, rücken die Anwesenden instinktiv ab. Das, was
an dem Leibwächter das Fürchten lehrt, ist nicht so sehr seine schwarze
Sturmhaube. Es sind auch nicht seine Größe und seine schwarze,
schusssichere Weste. Was die größte Furcht einflößt, ist die
Ungeschicklichkeit, mit der er seine Kalaschnikow hält, und die
Nervosität, die er ausstrahlt. Es erscheint ratsam, sich möglichst weit
weg von der Mündung seiner Maschinenpistole zu halten, die er auch beim
Sitzen so hält, dass sie stets auf Menschen zielt.
Wjatscheslaw
Ponomarjow ist nie allein. Er tritt ausschließlich in Begleitung
mehrerer bewaffneter Männer auf. Der Leibwächter telefoniert viel,
manchmal bleibt er stehen, zieht eine dicke Rolle ukrainischer
Geldscheine aus der Tasche, zählt und drückt seinen Leuten ein paar
Scheine in die Hand. Für Benzin. Die Männer in seiner Umgebung pflegen
alle denselben Kleidungsstil: entweder Tarnuniform oder Trainingsanzüge
aus Ballonseide. Ponomarjow selbst bevorzugt die Farbe Schwarz. Das
passt am besten zum schwarz-orange-farbenen Sankt-Georgs-Band, das er
wie die meisten bewaffneten Männer an der Kleidung trägt. Das Band steht
für den Ruhm der russischen Armee und Solidarität mit Russland.
Ponomarjow nennt
sich selbst "Volksbürgermeister" der Stadt Slawjansk, in der seine
Milizen seit Wochen die Macht übernommen haben. Was genau sie fordern
und wie das zu erreichen wäre, scheinen sie selbst nicht zu wissen. Sie
wollen am 11. Mai ein Referendum nach Vorbild der Krim abhalten. Dabei
soll es um die Unabhängigkeit des ostukrainischen Gebiets Donezk gehen.
Was die Männer außerdem bewegt: ein möglicher Anschluss an Russland, der
Status der russischen Sprache und eine Beteiligung der Ukraine an einem der militärischen Blöcke. Die Separatisten bestehen zudem darauf, dass ihre festgenommenen Anführer freikommen.
Separatisten halten Geiseln für Spione
Ihr eigentliches
Ziel, nämlich Chaos zu stiften sowie Angst und Schrecken zu verbreiten,
haben sie mit der Besetzung der Provinzstadt Slawjansk schon erreicht.
Allein damit haben sie die für Ende Mai geplante Präsidentenwahl in der
Ukraine schon fast torpediert. Aber vielleicht geht es um noch mehr –
vielleicht wollen sie ja sogar einen Anlass schaffen, der Moskau als
Vorwand für einen Einmarsch dient.
Unmittelbar bedroht sind im Moment die Einwohner von Slawjansk und all jene Menschen, die von den Separatisten als Geiseln gehalten werden.
Seit Freitag sind zudem 13 Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Gewalt der prorussischen
Milizen. Drei Bundeswehrsoldaten und ein Dolmetscher aus Deutschland
gehören zu dieser Gruppe. Für Ponomarjow ist die Lage klar: Bei den
Gefangenen handele es sich um "acht Geheimdienstler aus Nato-Ländern".
So erklärte es der Separatisten-Bürgermeister am Samstag: "Da wir bei
ihnen Karten mit Informationen über unsere Kontrollposten gefunden
haben, mussten wir den Eindruck bekommen, dass sie eine Spionagemission
ausführen." Die Bedingung für ihre Freilassung formulierte Ponomarjow
unmissverständlich: Die OSZE-Beobachter werden nur ausgetauscht gegen
die festgenommenen Separatisten.
Ponomarjow ist unberechenbar
Wenn Ponomarjow
sich als guter König zeigen will, grinst er breit und zeigt zwei goldene
Zähne in der oberen Reihe. Er macht Scherze wie: "Nach dem Zweiten
Weltkrieg sind die Deutschen viel besser geworden." Über so was lacht er
selbst am lautesten. Ponomarjow lädt in sein Büro ein, das früher
Bürgermeisterin Nelja Stepa gehörte. Jetzt ist Stepa festgenommen, in
ihrem Büro hängt eine schwarz-rot-blaue Fahne der Autonomen Republik von
Donezk. Ponomarjow liegt daran, sich offen und zugänglich zu geben. Vor
allem aber will er demonstrieren, dass er die Macht hat in der Region.
Jeden Tag
veranstaltet er eine Pressekonferenz, auf der er seine widersprüchlichen
Botschaften verkündet. Mal nennt er die Menschen, die in Slawjansk als
Geiseln gehalten werden, seine "Gäste" und behauptet, sie hielten sich
freiwillig bei den Separatisten auf. Mal sagt er, sie seien ein
"Faustpfand", das er eintauschen will. Dann wieder spricht er von einer
"Kriegssituation" und seinen "Gefangenen".
Falls Slawjansk
gestürmt werde, so versprach der Bürgermeister, werde man die Gefangenen
nicht töten. Aber man könne selbstverständlich nicht garantieren, dass
sie nicht zufällig bei einer Schießerei ums Leben kommen.
Über den
entführten US-Journalisten Simon Ostrovsky sagte Ponomarjow zunächst,
dieser habe eine "exklusive Reportage" im Geheimdienstgebäude
vorbereitet. Dann wieder erklärte er, Ostrovsky sammle "Material für ein
Buch". Auf einer Pressekonferenz schließlich rastete der
Separatisten-Bürgermeister aus und sagte, man solle nicht so viele
Fragen zu dem "kleinen Floh" Ostrovsky stellen. "Er ist nicht den Staub
auf den Stiefeln meiner Jungs wert", höhnte Ponomarjow, der Amerikaner
sei ein "unehrlicher Journalist", der nur provoziere.
Journalisten werden entführt
Simon Ostrovsky
wurde am vergangenen Donnerstag freigelassen und erzählte, was mit ihm
geschehen war. Offenbar war der Journalist, der seit Wochen für das
US-Magazin "Vice" über die Ukraine-Krise berichtete, gezielt
festgenommen worden. Separatisten an einem der Checkpoints hatten ein
Foto von ihm, sagte Ostrovsky im Interview mit dem kanadischen Sender
CBC kurz nach seiner Freilassung. Die Milizen zerrten ihn aus dem Auto,
in dem er mit vier anderen Journalisten saß.
Die anderen
Reporter ließ man bald weiterfahren, Ostrovsky brachte man hingegen in
das Geheimdienstgebäude nach Slawjansk. "Sie verprügelten mich,
verbanden mir die Augen und fesselten die Hände hinter dem Rücken",
sagte Ostrovsky. Nach mehreren Stunden, die er in einem dunklen, nassen
Keller verbrachte, führte man ihn in ein Zimmer. Dort wurde ihm
vorgeworfen, er arbeite in Wahrheit für den US-Geheimdienst CIA, das FBI
oder sogar für die ultranationalistische Gruppe Rechter Sektor. "Als
ich mich weigerte, das Passwort zu meinem Laptop preiszugeben,
verprügelten sie mich mit einem Knüppel", beschreibt Ostrovsky sein
Verhör. "Als ich auf dem Boden schlief, kamen irgendwann maskierte
Männer, weckten mich und sagten, niemand würde mich vermissen, wenn ich
tot sei." Dann traten sie ihn in die Rippen und gingen.
Der Amerikaner
war nicht der einzige Gefangene in dem Geheimdienstgebäude. Mit
ukrainischen Geiseln verfährt man in Slawjansk noch ungnädiger. Am
Freitag wurde ein ukrainischer Fotograf namens Jewgeni Gapitsch
freigelassen, der mit seinem Bruder Gennadi in der Stadt Horliwka
entführt worden war. Sie waren ins Visier der Separatisten geraten. Weil
sie Journalisten waren. Und weil sie aus der Westukraine stammten. "Ihr
einziges Ziel war es, mich zu einem Geständnis zu zwingen, dass ich aus
der nationalistischen Gruppe Una-Unso bin und hier kämpfen wollte",
erzählte Gapitsch später im ukrainischen Fernsehen. Während der
Gefangenschaft seien sie verprügelt worden.
Milizen schrecken vor Mord nicht zurück
Ostrovsky und
die Brüder Gapitsch trafen im Keller auf weitere Gefangene: den
ukrainischen Journalisten Serhiy Lefter, den Stadtrat von Slawjansk
Vadim Suchonos und den jungen Programmierer Artjow Dejnega, der von
seinem Balkon die Erstürmung der Geheimdienstzentrale gefilmt hatte.
Einen der Ukrainer habe man besonders heftig verprügelt, berichtet
Gennadi Gapitsch. Er habe bei ihm gebrochene Finger und einen blutenden
Rücken gesehen.
Auch vor Mord
schrecken die Milizen in der Geheimdienstzentrale offenbar nicht zurück.
Am vergangenen Montag wurden im Fluss nahe Slawjansk zwei Leichen mit
Folterspuren gefunden. Einer der Männer war ein Student aus Kiew, der
andere war Stadtrat Wolodimir Rybak aus der Nachbarstadt Horliwka.
Der ukrainische Geheimdienst SBU veröffentlichte anschließend zwei
angeblich abgefangene Gespräche, in denen es um Rybak geht und um eine
Leiche. Im ersten Gespräch gibt ein Mann einem anderen Anweisungen,
Rybak in ein Auto zu verfrachten und wegzufahren. "Verbindet ihm die
Hände und Augen, damit er nichts sieht", sagt eine Stimme, die laut SBU
einem russischen Geheimdienstler namens Igor Besler gehören soll.
"Slawa, löse bitte die Frage mit der Leiche"
In einem
anderen Gespräch ist angeblich die Stimme Ponomarjows zu hören, der sich
mit einem anderen russischen Geheimdienstler namens Igor Strelkow über
eine Leiche unterhält. "Slawa, löse bitte die Frage mit der Leiche.
Damit man sie heute schnell von uns wegträgt. Er liegt hier und stinkt",
sagt eine Stimme. "Die Leiche? Ja, gleich. Ich beende das hier mit den
Journalisten und kümmere mich dann darum", antwortet die andere Stimme,
die angeblich Ponomarjow gehört: "Die Jungs haben hier noch jemanden
gefangen. Sie bringen ihn zu euch, in den Keller."
Ponomarjow
behauptet, dass Mitglieder der Bewegung Rechter Sektor den Stadtrat
Rybak töteten, um den ukrainischen Sicherheitskräften einen Vorwand für
eine Anti-Terror-Operation zu liefern. Ohnehin schieben die Milizen in
Slawjansk gerne alles auf den Rechten Sektor. Offensichtlich aber ist,
dass sich viele Anhänger der Separatisten an der Gewalt berauschen.
Mehrere haben
sich als Kriegsveteranen zu erkennen gegeben, viele davon mögen
traumatisiert sein, doch nun ergötzen sie sich unverhohlen an ihrer
neuen Macht. Zugleich liegen ihre Nerven blank, weil sie mit einer
Erstürmung der Stadt rechnen müssen. Deshalb sehen sie in jedem
ausländischen Journalisten und Beobachter einen Spion und in jedem
Ukrainer einen Ultranationalisten. Beweise dafür brauchen sie nicht.
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