Bundestagswahl im TV Verliebt in die Macht
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Ist es Zufall, dass TV-Moderatoren mit der Opposition härter ins
Gericht gehen als mit den Regierungsparteien - und das noch am
Wahlabend? Als historisch gilt schon jetzt vieles an dieser Wahl.
Womöglich ist auch die Objektivität des Fernsehjournalismus Geschichte.
Eine TV-Kritik.
Noch nie in der Geschichte der Bundestagswahlen sei ein Kandidat von den Medien so niedergemacht worden wie Peer Steinbrück, befand kürzlich Giovanni di Lorenzo. Letzterer ist Chefredakteur der Zeit und hat womöglich genau das: die Zeit, sich Gedanken über den Umgang der eigenen Zunft mit Politikern zu machen.Je weniger Zeit Journalisten hingegen haben, desto weniger Muße haben sie, unter anderem auch ihre eigene Rolle zu reflektieren. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum gerade TV-Journalisten in diesem Wahlkampf ungleich härter mit einem Kandidaten umgingen, der schon früh als Wahlverlierer galt, als mit einer Bundeskanzlerin, die sich ihres Sieges fast schon sicher sein durfte.
TV-Journalismus ist ein anstrengendes Geschäft: Zeitdruck, Konkurrenz, Technik, neue Medien, Storytelling im Minutentakt, Menschen, Bilder, Emotionen - alles kommt zusammen. Das Fernsehen ist ein Massenmedium, muss allgemein verständlich bleiben. Ein gewisser Mainstream-Effekt stellt sich deshalb automatisch ein. Allerdings haben vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender auch einen deutlichen Bildungsauftrag. Die Sender müssen informativ, kritisch und unabhängig auch über Politik berichten. Sie sollen, zusammen mit den anderen Medien im Lande, eine Art vierte Gewalt im Staate bilden, um Exekutive, Legislative und Judikative, wo nötig, zu kontrollieren und die Öffentlichkeit angemessen zu informieren.
Unangenehm auf Angriff vs. öffentliches Kuscheln
Und wie soll man es einordnen, wenn Markus Lanz in der letzten Woche vor der Bundestagswahl in seinem abendlichen Talk, ebenfalls im ZDF, plötzlich und ohne größeren Anlass die FDP sehr deutlich meint in Schutz nehmen zu müssen - zur Verwunderung seiner Gäste?
Um es deutlich zu benennen: Journalisten, auch im TV, sollten, gerade vor einer Wahl, Politikern so kritisch wie möglich begegnen. Das gilt allerdings für alle Parteien. Ist es - wiederholt - vor allem der Spitzenkandidat der Opposition, der sich Kritik ausgeliefert sehen muss, während die regierende Kanzlerin fast komplett von solcher verschont bleibt, dann läuft da etwas falsch. Und wenn die FDP als Regierungspartei ganz selbstverständlich sehr viel Sendeplatz füllt, die anderen kleineren Parteien aber kaum noch vorkommen, ebenfalls. Denn wenn es eine Partei gibt, die zum Überwachungsskandal mehr zu sagen gehabt hätte als ihn für beendet zu erklären, warum wurden die Piraten in Sendungen zu NSA und Prism dann kaum jemals eingeladen?
Ein ähnlich beschränktes Bild bietet sich am Abend der Bundestagswahl. Die aktuellen Sendungen, gespickt mit Hochrechnungen und Schaltungen in die Parteizentralen, waren, geführt von Caren Miosga, Ulrich Deppendorf und Jörg Schönenborn in der ARD, Bettina Schausten und Theo Koll im ZDF und Peter Kloeppel bei RTL, sowie bei Phoenix und N-TV angenehm informativ, schnell und seriös wie eh und je - wären da nicht die Reporter gewesen.
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Quelle und Bearbeiter: SZ.de/jasch/lala
Einige von ihnen konnten es nicht lassen, die
Oppositionspolitiker zu piesacken, unter anderem Heike Boese von RTL bei
der SPD. Während CDU und CSU als Regierungsparteien fast schon mit
Samthandschuhen angepackt wurden, unter anderem von Sigmund Gottlieb vom BR bei der CSU. Wohlgemerkt: Piesacken ist durchaus erlaubt, Samthandschuhe sind nicht automatisch immer die falsche Wahl.
Problematisch wird es dann, wenn CDU und CSU sowohl vor als auch nach
der Wahl von den Journalisten zuvorkommend behandelt, SPD, Grüne und
Linke hingegen vorwiegend angriffslustig befragt und die kleineren
Parteien fast ganz ausgelassen werden - abgesehen von der FDP. Da drängt
sich die Frage auf, ob sich die Machtverhältnisse nach vier Jahren
schwarz-gelber Regierung vielleicht schon zu stark in die gestressten
Köpfe der TV-Macher eingemeißelt haben.
Dass bei der Schaltung in die Wahlzentralen die Grünen von einem kritisch nachfragenden Journalisten befragt werden, ist löblich. Aber warum fehlt der kritische Ansatz dann bei den Regierungsparteien fast völlig? Auch die Überraschung des Abends, das Rausfliegen der FDP aus dem Bundestag, blieb von den vorgeschickten TV-Journalisten freundschaftlich und verständnisvoll, nahezu mitleidig begleitet - während in den sozialen Medien und unter Usern die große Häme herrschte.
Kleiner Trost an diesem Abend, erstaunlich genug: Günther Jauch.
In seiner Runde war es ausgerechnet CDU-Mann Wolfgang Schäuble, den er
etwas härter anpackte als die anderen Geladenen. Was daran gelegen haben
könnte, dass Schäuble ein bisschen zum Streiten aufgelegt war. Was aber
auch daran gelegen haben könnte, dass Jauch diese Runden inzwischen
wöchentlich führt, und auch am Abend der Bundestagswahl keine weiteren Ambitionen zu haben schien, als die Gesprächsrunde einigermaßen elegant über die Bühne zu bringen.
Wie genau Deutschland bis zur nächsten Bundestagswahl regiert werden wird, das werden die kommenden Tage und Wochen zeigen. Wie allerdings die TV-Journalisten bei der nächsten Gelegenheit besser mit den Kandidaten umgehen, das könnte ihnen vielleicht einer zeigen, dem man das noch bis vor nicht allzu langer Zeit am allerwenigsten zugetraut hatte: Stefan Raab. Dem zumindest beim Kanzlerduell die Mischung aus bisweilen angebrachter Respektlosigkeit und ausgleichender Freundlichkeit, weitestgehend überparteilich, noch fast am besten gelang. Verblüffend genug.
Am Ende ist es für jeden Journalisten eines jeden Mediums, der oder das sich im Wahlkampf tummelt, eine Frage der Haltung: Wie verhalte ich mich im Wechselspiel der Mächte - unabhängig von parteipolitischem Geplänkel? Doch für das Fernsehen mit seiner großen Reichweite und seinem massentauglichen Ansatz ist diese Haltung für seine Glaubwürdigkeit entscheidend. Es darf ruhig schon mal flirten mit der Macht - aber es sollte nicht in den Verdacht geraten, eine dauerhafte Affäre mit ihr einzugehen.
Bundestagswahl im TV Wahlkampf von falscher Seite
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Dass bei der Schaltung in die Wahlzentralen die Grünen von einem kritisch nachfragenden Journalisten befragt werden, ist löblich. Aber warum fehlt der kritische Ansatz dann bei den Regierungsparteien fast völlig? Auch die Überraschung des Abends, das Rausfliegen der FDP aus dem Bundestag, blieb von den vorgeschickten TV-Journalisten freundschaftlich und verständnisvoll, nahezu mitleidig begleitet - während in den sozialen Medien und unter Usern die große Häme herrschte.
Die telemediale Macht im Staate
Wäre der Wahlabend aufgrund des bis tief in die Nacht unklaren Wahlergebnisses nicht außerdem noch ein Wahlkrimi sondergleichen gewesen, dann wäre dieser Eindruck der spannendste gewesen, den der Wahlkampf zu bieten hatte: Ein Medium greift in den Wahlkampf ein, in dem es gegen die Opposition stichelt und die (bisherige) Regierung nahezu in Ruhe lässt. Ein beunruhigendes Bild, das das Fernsehen da zwischen den Zeilen lieferte.Wie genau Deutschland bis zur nächsten Bundestagswahl regiert werden wird, das werden die kommenden Tage und Wochen zeigen. Wie allerdings die TV-Journalisten bei der nächsten Gelegenheit besser mit den Kandidaten umgehen, das könnte ihnen vielleicht einer zeigen, dem man das noch bis vor nicht allzu langer Zeit am allerwenigsten zugetraut hatte: Stefan Raab. Dem zumindest beim Kanzlerduell die Mischung aus bisweilen angebrachter Respektlosigkeit und ausgleichender Freundlichkeit, weitestgehend überparteilich, noch fast am besten gelang. Verblüffend genug.
Am Ende ist es für jeden Journalisten eines jeden Mediums, der oder das sich im Wahlkampf tummelt, eine Frage der Haltung: Wie verhalte ich mich im Wechselspiel der Mächte - unabhängig von parteipolitischem Geplänkel? Doch für das Fernsehen mit seiner großen Reichweite und seinem massentauglichen Ansatz ist diese Haltung für seine Glaubwürdigkeit entscheidend. Es darf ruhig schon mal flirten mit der Macht - aber es sollte nicht in den Verdacht geraten, eine dauerhafte Affäre mit ihr einzugehen.
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