Dienstag, 17. September 2013

Peinlich: ausgerechnet der Rechtspopulist Dobrindt fordert Rücktritt

Grünen-Spitzenkandidatin Göring-Eckardt sieht in der Pädophilie-Aufarbeitung keine Fehler ihrer Partei - und verteidigt ihren Co-Spitzenkandidaten Trittin. In einem Antwortbrief an die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Bär wirft sie der Union Versagen beim Thema häusliche Gewalt gegen Kinder und Frauen vor.
Berlin - Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt stellt sich in der Pädophilie-Debatte vor ihren Co-Spitzenkandidaten Jürgen Trittin. In der Antwort auf einen Brief der stellvertretenden CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär, in dem die Unionsfrau von Göring-Eckardt mehr Engagement in der parteiinternen Aufarbeitung fordert, schreibt die Grünen-Politikerin: "Als Mutter, als die Sie mich ansprechen, vor allem aber als Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen sage ich Ihnen, dass sich die Grünen vor mehr als 30 Jahren schrecklich verirrt haben." Der Antwortbrief liegt SPIEGEL ONLINE vor.
Am Montag war bekannt geworden, dass Trittin 1981 das kommunalpolitische Wahlprogramm einer Göttinger Grünen-Liste presserechtlich verantwortet hatte, in dem Sex zwischen Erwachsenen und Kindern unter bestimmten Bedingungen straffrei gestellt werden sollte. Darauf waren die Parteienforscher Stephan Klecha und Franz Walter gestoßen, der im Auftrag der Grünen die Verstrickungen der Partei mit pädophilen Aktivisten Anfang der Achtziger untersuchen. Für Trittin und die Grünen kommt das Thema kurz vor der Bundestagswahl zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt, gerade die Union dürfte es im Finale bis Sonntag ausschlachten.
Prompt schrieb CSU-Frau Bär am Montag mit weiteren Unionspolitikerinnen einen Brief an Göring-Eckardt, in dem sie die Grünen-Politikerin zu mehr Aufklärung drängte. "Als Mutter zweier Söhne dürfen Sie zu sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen nicht schweigen", schrieb Bär. Unionspolitiker wie CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder legten Trittin am Montag den Rücktritt als Spitzenkandidat nahe.
Scharfe Worte gegen die Union
Göring-Eckardt reagiert auf die Attacken aus der Union nun mit scharfen Worten: "Ich sage Ihnen aber ebenso klar: Hören Sie endlich auf, mit diesem Thema Wahlkampf zu machen!"
"Die offene Aufarbeitung der Grünen-Geschichte liegt uns als Partei und auch mir persönlich sehr am Herzen", schreibt die Politikerin. "Und Jürgen Trittin selbst hat die Aufarbeitung dieser Gründungsphase der Grünen und die Beauftragung unabhängiger Wissenschaftler mit angestoßen und die Verantwortung für eigene Fehler übernommen."
Gleichzeitig erhebt Göring-Eckardt indirekt Vorwürfe auch gegen die Union. "Der Umgang mit Gewalt im engsten Kreis der Familie und mit Kindern hat im Deutschen Bundestag erst Ende der neunziger Jahre endgültig eine eindeutige Ablehnung erfahren." Die Grünen-Politikerin schreibt: "Unabhängig davon, dass die Vergewaltigung in der Ehe erst 1997 strafbar wurde, von den Frauen übrigens gegen die Mehrheit von CDU/CSU durchgesetzt, hat es für die Verurteilung elterlicher Gewalt in der Erziehung noch länger gedauert, dazu brauchte es erst eine rot-grüne Bundesregierung." Göring-Eckardts Vorwurf: "An diese Geschichte sollten Sie sich erinnern, bevor Sie auf Ihr hohes Ross steigen, Frau Bär. Eine Geschichte, in der Frauen und Kinder, Schwule und Lesben sehr lange Leidtragende waren." Göring-Eckards Appell an die CSU-Politikerin: "Sehr geehrte Frau Bär, sollte es Ihnen tatsächlich um Nulltoleranz gegenüber Kindesmissbrauch und Gewalt gegen Kinder gehen, schlage ich Ihnen gern eine gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte der letzten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts vor."
Unterstützung für Trittin und die Grünen kam am Dienstag vom Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig. Er bescheinigte den Grünen, mit der unabhängigen Aufarbeitung ihrer Gründungszeit die richtige Entscheidung getroffen zu haben. "Auch schmerzhafte Ergebnisse werden veröffentlicht, das ist genau der richtige Weg", sagte Rörig dem "Tagesspiegel". Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles lobten den Umgang Trittins und der Grünen mit dem Pädophilie-Thema.
Auszug aus dem von Trittin presserechtlich verantworteten Göttinger Kommunalwahlprogramm der Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL) von 1981 Zur Großansicht
Grüne Göttingen
Auszug aus dem von Trittin presserechtlich verantworteten Göttinger Kommunalwahlprogramm der Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL) von 1981

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