Landtagswahl ThüringenBodos K-Gruppe
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Über Sozialismus will er nicht reden

30 Jahre lang wurde er bespitzelt, erst im westdeutschen Marburg, wo er in der Friedensbewegung aktiv war. Die freudige Geburtsanzeige seines ersten Sohns landete in der Verfassungsschutzakte, weil Ramelow sie in einer vermeintlich DKP-nahen Zeitung aufgegeben hatte. Später überwachte ihn der Thüringer Geheimdienst, weil er angeblich hoffte, auf diese Weise etwas über den Einfluss Radikaler in der Linkspartei herauszufinden. "Sie haben mich bespitzelt, weil ich jemanden kannte, der jemanden kannte, der vielleicht gefährlich war", sagt Ramelow, "das ist doch absurd". Zeitweise standen zwei Drittel der Linke-Bundestagsabgeordneten auf den Listen der Geheimdienste. Fünfzehn Prozesse führte Ramelow dagegen, am Ende gab ihm das Bundesverfassungsgericht Recht.
Ramelow selbst sagt, dass er keine Ahnung hat, was DDR-Bürger erdulden mussten. Er habe nicht gelitten unter dem Apparat des Ministeriums für Staatssicherheit. Aber weil Ramelow auch bespitzelt wurde, wenn auch nicht in der DDR, hat er doch auch ein wenig Ahnung. Wenn er davon in Weimar erzählt, nicken die vielen alten Zuhörer empört und wissend mit dem Kopf, Ramelow ist eigentlich keiner von ihnen und doch ist er es in diesem Moment.

Von wegen rote Socke

Überhaupt macht ihn seine Biografie für seine Gegner fast unangreifbar. Er ist nicht radikal genug, um als rote Socke zu gelten. Wäre die ganze Linkspartei wie er, die Debatte über Rot-Rot hätte sich seit Jahren erledigt. Ramelow hat sich zu tief in seine Themen eingearbeitet, als dass man ihn einen Schaumschläger nennen könnte. Und er ist schon zu lange in Thüringen, um noch als Wessi verspottet zu werden.
Auf seinen Wahlplakaten ist Ramelows Gesicht zu sehen und dazu beispielsweise das Wort "Sicherheit". Auf einem anderen steht einfach nur groß sein Name und dahinter noch ein Ausrufezeichen: "Bodo Ramelow!"
Das sei alles nicht auf seiner Eitelkeit gewachsen, sagt der Kandidat, sondern eine Entscheidung der Partei. "Bei den letzten Landratswahlen haben wir zum ersten Mal nur mit Personen gewonnen, nicht als Partei oder mit Ideologie." Daraus haben sie gelernt.

Streng, aggressiv, fast pampig

Wahlkampf ohne Ideologie also. Vielleicht erklärt das die folgende kleine Eskalation: Ramelow sitzt im Erfurter Kaisersaal und hat 20 Minuten Zeit zum Reden. Hier in diesem Gebäude wurden 1946 KPD und SPD zur jener Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vereinigt, die bis 1989 die DDR regierte und nach der Wende zur PDS wurde, die später wiederum in der Linkspartei aufging, für die nun eben jener Ramelow Ministerpräsident werden könnte. Erste Frage also: Herr Ramelow, sind Sie Sozialist? Ja, sagt Bodo Ramelow sofort. Und worin äußert sich das?
Dann folgt eine zehnminütige Streiterei mit dem Reporter. Der Sozialist Ramelow kann oder will nicht verstehen, was denn der Sozialismus mit seinem Wahlkampf zu tun hat. Warum man ihn jetzt danach fragt. Er wird streng, aggressiv, fast pampig. Nachher möchte seine Pressesprecherin diesen Teil des Gesprächs so nicht zur Veröffentlichung freigeben, sondern nur stark bearbeitet und um die größten Zankereien bereinigt.
Das ist schade. Weniger, weil der aufbrausende Ramelow sichtbar geworden wäre, von dem Wegbegleiter immer wieder berichten. Sondern vor allem, weil der Streit anschaulich gemacht hätte, dass Ramelow zwar das in diesen Tagen wichtigste Mitglied einer Partei ist, deren Wahlprogramm mit dem Bekenntnis zum Sozialismus beginnt. Dass er in der Praxis davon aber wenig wissen will.
Ob das eine gute Nachricht ist oder eine schlechte, können die Thüringer für ihr Land am Sonntag entscheiden. Für Ramelows Partei dürfte diese Frage noch länger offen bleiben.