Mittwoch, 30. April 2014

Die Separatisten im Osten der Ukraine manövrieren sich immer mehr ins Abseits!

Der Regierung der Russischen Föderation in Moskau bleibt im Grunde immer
weniger Zeit, um sich von diesen Extremisten in gewisser Form zu distanzieren.
Gestern töhnte der selbsternannte Machthaber von Slawjansk - sinngemäß,
Moskau könne ihnen im Grunde gar nichts sagen, schließlich seien sie unabhängig.
Die in besetzten Gebieten einbrechende Wirtschaft zeigt schon deutliche Spuren
der Unzufriedenheit unter der in Geiselhaft genommenen Bevölkerung.

Wie schon im Fall der Krim kann ein etwaiges Referendum nicht den dafür
vorgeschriebenen internationalen Standarts entsprechen. Schließlich müssen
Menschen besonders bei einer derart weitreichenden Entscheidung frei
entscheiden können.
Im Fall der Krim besteht hingegen durchaus die Möglichkeit, dass die
internationale Staatengemeinschaft sozusagen Stillschweigen bewahrt.
Ein Anerkennen ist jedenfalls im Hinblich auf die gewaltsam besetzten
Rathäuser, Polizeidienststellen und anderer öffentlicher Behörden im Osten
der Ukraine ausgeschlossen!
Die internationale Staatengemeinschaft muss so oder so handeln!
Mit herzlichen Grüßen Thomas Karnasch

Sonntag, 27. April 2014

Putschisten Anführer Ponomarjow darf sich nicht wundern, wenn betroffene Staaten jetzt Anti-Terror- einheiten nach Slawjansk schicken

Unter anderen auch Moskau, nicht nur weil die Russische Föderation und die
Ukraine auch Mitglieder der OSZE sind, sondern aus solidarischem Pflichtgefühl
als ständiges Mitglied und Veto-Verantwortungsland im UN Sicherheitsrat.
Auch, weil sonst für Moskau die Aberkennung dieser ohnehin unrechtmäßien
Privilegien droht!
Ponomarjow hätte besser weiter Seife verkauft, davon versteht er wahrscheinlich was.

In Slawjansk liegen die Nerven der Milizen blank

Im ostukrainischen Slawjansk spitzt sich die Lage zu. Bürgermeister Ponomarjow rastet bei den Pressekonferenzen aus, man rechnet mit der Erstürmung. Das OSZE-Team bezeichnet er als sein "Faustpfand". Von Julia S. , Slawjansk
Foto: AFP Milizenführer Ponomarjow und im Hintergrund sein Leibwächter: Furchteinflößend ist vor allem, mit welcher Ungeschicklichkeit er seine Kalaschnikow hält, und die Nervosität, die er ausstrahlt
Wenn der Leibwächter von Wjatscheslaw Ponomarjow den Saal des besetzten Rathauses in der Stadt Slawjansk betritt, rücken die Anwesenden instinktiv ab. Das, was an dem Leibwächter das Fürchten lehrt, ist nicht so sehr seine schwarze Sturmhaube. Es sind auch nicht seine Größe und seine schwarze, schusssichere Weste. Was die größte Furcht einflößt, ist die Ungeschicklichkeit, mit der er seine Kalaschnikow hält, und die Nervosität, die er ausstrahlt. Es erscheint ratsam, sich möglichst weit weg von der Mündung seiner Maschinenpistole zu halten, die er auch beim Sitzen so hält, dass sie stets auf Menschen zielt.
Wjatscheslaw Ponomarjow ist nie allein. Er tritt ausschließlich in Begleitung mehrerer bewaffneter Männer auf. Der Leibwächter telefoniert viel, manchmal bleibt er stehen, zieht eine dicke Rolle ukrainischer Geldscheine aus der Tasche, zählt und drückt seinen Leuten ein paar Scheine in die Hand. Für Benzin. Die Männer in seiner Umgebung pflegen alle denselben Kleidungsstil: entweder Tarnuniform oder Trainingsanzüge aus Ballonseide. Ponomarjow selbst bevorzugt die Farbe Schwarz. Das passt am besten zum schwarz-orange-farbenen Sankt-Georgs-Band, das er wie die meisten bewaffneten Männer an der Kleidung trägt. Das Band steht für den Ruhm der russischen Armee und Solidarität mit Russland.
Ponomarjow nennt sich selbst "Volksbürgermeister" der Stadt Slawjansk, in der seine Milizen seit Wochen die Macht übernommen haben. Was genau sie fordern und wie das zu erreichen wäre, scheinen sie selbst nicht zu wissen. Sie wollen am 11. Mai ein Referendum nach Vorbild der Krim abhalten. Dabei soll es um die Unabhängigkeit des ostukrainischen Gebiets Donezk gehen. Was die Männer außerdem bewegt: ein möglicher Anschluss an Russland, der Status der russischen Sprache und eine Beteiligung der Ukraine an einem der militärischen Blöcke. Die Separatisten bestehen zudem darauf, dass ihre festgenommenen Anführer freikommen.

Separatisten halten Geiseln für Spione

Ihr eigentliches Ziel, nämlich Chaos zu stiften sowie Angst und Schrecken zu verbreiten, haben sie mit der Besetzung der Provinzstadt Slawjansk schon erreicht. Allein damit haben sie die für Ende Mai geplante Präsidentenwahl in der Ukraine schon fast torpediert. Aber vielleicht geht es um noch mehr – vielleicht wollen sie ja sogar einen Anlass schaffen, der Moskau als Vorwand für einen Einmarsch dient.
Unmittelbar bedroht sind im Moment die Einwohner von Slawjansk und all jene Menschen, die von den Separatisten als Geiseln gehalten werden. Seit Freitag sind zudem 13 Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Gewalt der prorussischen Milizen. Drei Bundeswehrsoldaten und ein Dolmetscher aus Deutschland gehören zu dieser Gruppe. Für Ponomarjow ist die Lage klar: Bei den Gefangenen handele es sich um "acht Geheimdienstler aus Nato-Ländern". So erklärte es der Separatisten-Bürgermeister am Samstag: "Da wir bei ihnen Karten mit Informationen über unsere Kontrollposten gefunden haben, mussten wir den Eindruck bekommen, dass sie eine Spionagemission ausführen." Die Bedingung für ihre Freilassung formulierte Ponomarjow unmissverständlich: Die OSZE-Beobachter werden nur ausgetauscht gegen die festgenommenen Separatisten.

Ponomarjow ist unberechenbar

Wenn Ponomarjow sich als guter König zeigen will, grinst er breit und zeigt zwei goldene Zähne in der oberen Reihe. Er macht Scherze wie: "Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Deutschen viel besser geworden." Über so was lacht er selbst am lautesten. Ponomarjow lädt in sein Büro ein, das früher Bürgermeisterin Nelja Stepa gehörte. Jetzt ist Stepa festgenommen, in ihrem Büro hängt eine schwarz-rot-blaue Fahne der Autonomen Republik von Donezk. Ponomarjow liegt daran, sich offen und zugänglich zu geben. Vor allem aber will er demonstrieren, dass er die Macht hat in der Region.
Jeden Tag veranstaltet er eine Pressekonferenz, auf der er seine widersprüchlichen Botschaften verkündet. Mal nennt er die Menschen, die in Slawjansk als Geiseln gehalten werden, seine "Gäste" und behauptet, sie hielten sich freiwillig bei den Separatisten auf. Mal sagt er, sie seien ein "Faustpfand", das er eintauschen will. Dann wieder spricht er von einer "Kriegssituation" und seinen "Gefangenen".
Falls Slawjansk gestürmt werde, so versprach der Bürgermeister, werde man die Gefangenen nicht töten. Aber man könne selbstverständlich nicht garantieren, dass sie nicht zufällig bei einer Schießerei ums Leben kommen.
Über den entführten US-Journalisten Simon Ostrovsky sagte Ponomarjow zunächst, dieser habe eine "exklusive Reportage" im Geheimdienstgebäude vorbereitet. Dann wieder erklärte er, Ostrovsky sammle "Material für ein Buch". Auf einer Pressekonferenz schließlich rastete der Separatisten-Bürgermeister aus und sagte, man solle nicht so viele Fragen zu dem "kleinen Floh" Ostrovsky stellen. "Er ist nicht den Staub auf den Stiefeln meiner Jungs wert", höhnte Ponomarjow, der Amerikaner sei ein "unehrlicher Journalist", der nur provoziere.

Journalisten werden entführt

Simon Ostrovsky wurde am vergangenen Donnerstag freigelassen und erzählte, was mit ihm geschehen war. Offenbar war der Journalist, der seit Wochen für das US-Magazin "Vice" über die Ukraine-Krise berichtete, gezielt festgenommen worden. Separatisten an einem der Checkpoints hatten ein Foto von ihm, sagte Ostrovsky im Interview mit dem kanadischen Sender CBC kurz nach seiner Freilassung. Die Milizen zerrten ihn aus dem Auto, in dem er mit vier anderen Journalisten saß.
Die anderen Reporter ließ man bald weiterfahren, Ostrovsky brachte man hingegen in das Geheimdienstgebäude nach Slawjansk. "Sie verprügelten mich, verbanden mir die Augen und fesselten die Hände hinter dem Rücken", sagte Ostrovsky. Nach mehreren Stunden, die er in einem dunklen, nassen Keller verbrachte, führte man ihn in ein Zimmer. Dort wurde ihm vorgeworfen, er arbeite in Wahrheit für den US-Geheimdienst CIA, das FBI oder sogar für die ultranationalistische Gruppe Rechter Sektor. "Als ich mich weigerte, das Passwort zu meinem Laptop preiszugeben, verprügelten sie mich mit einem Knüppel", beschreibt Ostrovsky sein Verhör. "Als ich auf dem Boden schlief, kamen irgendwann maskierte Männer, weckten mich und sagten, niemand würde mich vermissen, wenn ich tot sei." Dann traten sie ihn in die Rippen und gingen.
Der Amerikaner war nicht der einzige Gefangene in dem Geheimdienstgebäude. Mit ukrainischen Geiseln verfährt man in Slawjansk noch ungnädiger. Am Freitag wurde ein ukrainischer Fotograf namens Jewgeni Gapitsch freigelassen, der mit seinem Bruder Gennadi in der Stadt Horliwka entführt worden war. Sie waren ins Visier der Separatisten geraten. Weil sie Journalisten waren. Und weil sie aus der Westukraine stammten. "Ihr einziges Ziel war es, mich zu einem Geständnis zu zwingen, dass ich aus der nationalistischen Gruppe Una-Unso bin und hier kämpfen wollte", erzählte Gapitsch später im ukrainischen Fernsehen. Während der Gefangenschaft seien sie verprügelt worden.

Milizen schrecken vor Mord nicht zurück

Ostrovsky und die Brüder Gapitsch trafen im Keller auf weitere Gefangene: den ukrainischen Journalisten Serhiy Lefter, den Stadtrat von Slawjansk Vadim Suchonos und den jungen Programmierer Artjow Dejnega, der von seinem Balkon die Erstürmung der Geheimdienstzentrale gefilmt hatte. Einen der Ukrainer habe man besonders heftig verprügelt, berichtet Gennadi Gapitsch. Er habe bei ihm gebrochene Finger und einen blutenden Rücken gesehen.
Auch vor Mord schrecken die Milizen in der Geheimdienstzentrale offenbar nicht zurück. Am vergangenen Montag wurden im Fluss nahe Slawjansk zwei Leichen mit Folterspuren gefunden. Einer der Männer war ein Student aus Kiew, der andere war Stadtrat Wolodimir Rybak aus der Nachbarstadt Horliwka. Der ukrainische Geheimdienst SBU veröffentlichte anschließend zwei angeblich abgefangene Gespräche, in denen es um Rybak geht und um eine Leiche. Im ersten Gespräch gibt ein Mann einem anderen Anweisungen, Rybak in ein Auto zu verfrachten und wegzufahren. "Verbindet ihm die Hände und Augen, damit er nichts sieht", sagt eine Stimme, die laut SBU einem russischen Geheimdienstler namens Igor Besler gehören soll.

"Slawa, löse bitte die Frage mit der Leiche"

In einem anderen Gespräch ist angeblich die Stimme Ponomarjows zu hören, der sich mit einem anderen russischen Geheimdienstler namens Igor Strelkow über eine Leiche unterhält. "Slawa, löse bitte die Frage mit der Leiche. Damit man sie heute schnell von uns wegträgt. Er liegt hier und stinkt", sagt eine Stimme. "Die Leiche? Ja, gleich. Ich beende das hier mit den Journalisten und kümmere mich dann darum", antwortet die andere Stimme, die angeblich Ponomarjow gehört: "Die Jungs haben hier noch jemanden gefangen. Sie bringen ihn zu euch, in den Keller."
Ponomarjow behauptet, dass Mitglieder der Bewegung Rechter Sektor den Stadtrat Rybak töteten, um den ukrainischen Sicherheitskräften einen Vorwand für eine Anti-Terror-Operation zu liefern. Ohnehin schieben die Milizen in Slawjansk gerne alles auf den Rechten Sektor. Offensichtlich aber ist, dass sich viele Anhänger der Separatisten an der Gewalt berauschen.
Mehrere haben sich als Kriegsveteranen zu erkennen gegeben, viele davon mögen traumatisiert sein, doch nun ergötzen sie sich unverhohlen an ihrer neuen Macht. Zugleich liegen ihre Nerven blank, weil sie mit einer Erstürmung der Stadt rechnen müssen. Deshalb sehen sie in jedem ausländischen Journalisten und Beobachter einen Spion und in jedem Ukrainer einen Ultranationalisten. Beweise dafür brauchen sie nicht.