Als
politische Immunität
bezeichnet man den Schutz eines politischen Amtsträgers vor
Strafverfolgung aufgrund seines Amtes. Die Immunität betrifft vor allem
- Abgeordnete gesetzgebender Körperschaften, deren parlamentarische Immunität in den meisten Staaten durch die Verfassung geregelt ist, sowie
- Staatsoberhäupter und teilweise Mitglieder von Regierungen.
Geschichtliche Aspekte und Kritik
Die
parlamentarische Immunität wurde in den letzten 150 Jahren zu einem Rechtsgut, das vor allem zwei Zwecken dienen sollte:
- Die sich herausbildende Legislative vor möglicher Willkür der damals noch monarchischen Exekutive
zu schützen (etwa vor erfundenen Anklagen und manchen Festnahmen, die
es z. B. im 19. Jahrhundert vor wichtigen Abstimmungen gab).
- Die Freiheit der Meinungsäußerung (Redefreiheit) besonders für gewählte Volksvertreter zu garantieren, da diese den Interessen ihrer Wählerschaft verpflichtet sind.
Die Immunität wird vielfach kritisiert, wenn sie
Machtinteressen dient; in manchen Staaten wurde sie deshalb eingeschränkt – z. B. 2003 in
Italien. In bestimmten Fällen kann sie vom jeweiligen
Parlament aufgehoben werden.
Immunität von Abgeordneten
Ein
Abgeordneter des
Deutschen Bundestages oder der
Bundesversammlung hat parlamentarische Immunität, die ihn vor der
Strafverfolgung, jedoch nicht vor
zivilrechtlichen Ansprüchen schützt. Die Immunität (
Art. 46 Abs. 2
GG) schützt aber nicht den Abgeordneten selbst vor Strafe (im Gegensatz zur
Indemnität),
sondern soll die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sicherstellen. Sie
kann daher auch vom jeweiligen Parlament aufgehoben werden. In der
Schweiz gelten ähnliche Regelungen.
Der Deutsche Bundestag hat mit seinem Beschluss „betr. Aufhebung der
Immunität von Mitgliedern des Bundestages“ grundsätzlich die
Durchführung von Ermittlungsverfahren genehmigt.
[1] Der
Immunitätsausschuss
prüft für konkrete Fälle, ob diese Genehmigung zutrifft oder ob es sich
um Verfahren im Zusammenhang mit Beleidigungen politischen Charakters
handelt. Gegebenenfalls spricht der Ausschuss eine Empfehlung aus, auf
deren Grundlage der Bundestag seine Entscheidung trifft.
Die Immunität verliert ein Abgeordneter (außer durch Parlamentsbeschluss) auch mit Ablauf seines
Mandats,
so dass er dann wieder der normalen Gerichtsbarkeit unterliegt. Dieser
Ablauf kann aber je nach Staat unterschiedlich geregelt sein.
In vielen Staaten besitzen auch die Abgeordneten von Bundesländern oder Regionen Immunität, etwa die Abgeordneten der
Landtage in Österreich und Deutschland oder der
Kantonsparlamente in der Schweiz. Mit der Immunität ist oft das
Recht zur Zeugnisverweigerung verbunden.
Auch in Bezug auf die
EU bzw. das
Europaparlament sind diese Aspekte Gegenstand verschiedener Diskussionen.
[2] Die Immunität von
Europa-Abgeordneten regelt das „Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften“.
[3]
Über die Aufhebung der Immunität entscheidet auf Antrag einer
zuständigen Behörde eines Mitgliedsstaates das Plenum des
Europaparlaments, das sich dabei auf einen Bericht des Rechtsausschusses
stützt.
[4]
Staatsoberhäupter und Regierungen
Ein
Staatsoberhaupt genießt aufgrund
Völkergewohnheitsrechts
Immunität im In- und Ausland für Handlungen während seiner Amtszeit.
Die Immunität besteht nach Ablauf der Amtszeit fort. Ausgenommen sind
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und ähnliche Delikte (siehe
Völkerstrafrecht,
Internationaler Strafgerichtshof). Wegen der näheren Einzelheiten →
Hauptartikel Diplomatenstatus, Abschn. Staatsoberhäupter.
Der
Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland genießt nach
Art. 60 in Verbindung mit
Art. 46
Grundgesetz politische Immunität. Er darf nur dann verfolgt werden,
wenn der Bundestag mit Mehrheitsbeschluss entscheidet, die Immunität
aufzuheben,
Art. 42 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz. Zuvor muss die Staatsanwaltschaft beim
Präsidenten des Deutschen Bundestages
einen entsprechenden Antrag eingereicht haben, der diesen an den
Immunitätsausschuss weiterleitet; der Ausschuss gibt dem Bundestag eine
Beschlussempfehlung,
§ 107 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.
[5]
Auch die Mitglieder des schweizerischen
Bundesrats genießen in einem System ohne eigentliches Staatsoberhaupt gemäß Artikel 162 Bundesverfassung Immunität.
Der deutsche
Bundeskanzler
und die übrigen Mitglieder der Bundesregierung besitzen hingegen keine
Immunität. Sie sind aber zumeist auch Abgeordnete und genießen dann als
solche Immunität. Auch in Österreich genießen Regierungsmitglieder nur
Immunität, wenn sie Abgeordnete sind.
Diplomaten und Tätigkeiten im Ausland
Ein
Diplomat genießt
diplomatische Immunität nach der
Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen. Wegen der näheren Einzelheiten →
Hauptartikel Diplomatenstatus.
Umstritten ist die Immunität von
Bürgern im Dienst von
UN-Missionen vor Verfolgung durch den
Internationalen Strafgerichtshof. Im Juni
2004 haben die
USA allerdings einen diesbezüglichen Resolutionsentwurf zurückgezogen.
Ortsbezogene Immunität
Immunität von Militärs
In der
Türkei
genießen der Generalstabschef und die Oberbefehlshaber der Armee,
Marine und Luftwaffe eine absolute Immunität, d. h., weder ein ziviles
noch ein militärisches Gericht kann gegen sie Anklage erheben.
[7] (siehe Türkische Streitkräfte)
Immunität des ESM
Die Mitglieder des
ESM genießen Immunität.
[8] Der
Deutsche Richterbund bewertet dies als Ausstieg aus dem Rechtsstaat.
[9]
Siehe auch
Einzelnachweise
- Hochspringen ↑ Beschluss des Deutschen Bundestages betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages (Anlage 6 zur GO-BT).
- Hochspringen ↑ http://www.stern.de/politik/ausland/:Br%FCssel-Wie-EU-Abgeordnete-Geld/612037.html?eid=609264&s=0
- Hochspringen ↑ Wortlaut des Protokolls in der aktuellen Fassung Eurlex-Website
- Hochspringen ↑ Mythos und Wirklichkeit: die parlamentarische Immunität, Artikel auf der EP-Website, 17. November 2008
- Hochspringen ↑ Juraexamen.info: Aufhebung Immunität von Bundespräsident Christian Wulff
- Hochspringen ↑ Vielschichtige Ursachen für Krawalle in Athen, www.tagesschau.de (Die ursprüngliche Seite ist nicht mehr abrufbar.) → Erläuterung (vom 9. Dezember 2008)
- Hochspringen ↑ Die Generäle und die Demokratie - Machtkampf am Bosporos, ZDF, abgerufen am 20. Juli 2007
- Hochspringen ↑ ESM-Vertragstext (PDF; 142 kB), Art. 35, abgerufen am 24. Mai 2013.
- Hochspringen ↑ Europäischer Rettungsschirm: Richterbund warnt vor Ausstieg aus dem Rechtsstaat, abgerufen am 24. Mai 2013
Weblinks